Der Gracilis-Muskel ist ein wenig benutzter Muskel an der Innenseite des Oberschenkels. Die Blutversorgung erfolgt über seitliche Äste und über ein großes Gefäß am Ansatz des Muskels in der Leistenregion. Dadurch lässt sich der Muskel am Oberschenkel bis hin zum Knie gut mobilisieren, ohne dabei die Durchblutung zu stören. Der Muskel kann nach oben geschwenkt werden und als ein gestielter Muskellappen zur Bedeckung und Versorgung geschädigten Gewebes verwendet werden. siehe Abbildung 1 siehe Abbildung 2 

 

In der Vergangenheit habe ich Gracilisplastiken zur Rekonstruktion des analen Sphinkter-Apparates verwendet. Der Muskel wurde zirkulär um den Analkanal geschlungen und über einen Schrittmacher zur Dauerkontraktion stimuliert. Die Elektroden des Schrittmachers wurden am Hauptnerven des Muskels implantiert. Wenn der Patient seinen Darm entleeren wollte, musste er lediglich den Schrittmacher über ein Steuergerät ausschalten, die Dauerkontraktionen hörten auf und der Sphinkter erschlaffte. Natürlich klingt das sehr viel einfacher, als es in Wirklichkeit war. Die Elektrostimulation war das Problem. Die Elektroden diskonnektierten, die Drähte infizierten sich usw.

 

Heute verwende ich die Muskelplastik immer noch in ausgewählten Fällen zur Verstärkung des eigenen geschwächten Sphinkters, aber ohne Nervenstimulation.

 

Die häufigste Verwendung der Gracilisplastik in meiner Praxis dient der Versorgung von Defekten im Perineum, in der Scheide oder im Rectum. Die Hauptindikation ist die hohe rectovaginale Fistel oder die urethro-rectale Fistel. Auch bei nicht heilenden perinealen Defekten nach einer Rectum-Amputation oder nach Strahlenschäden kommt der Gracilis zum Einsatz.

 

Der lebende, gut durchblutete Muskel bringt frisches Gewebe mit hoher Sauerstoffkonzentration in geschädigte Strukturen und verbessert dadurch die Heilung. Er wird auch eingesetzt, um zwei Hohlorgane (wie Rectum und Vagina), die durch eine Fistel verbunden sind, voneinander zu trennen. siehe Abbildung 3 siehe Abbildung 4